Sprache im Gerichtsverfahren

    Regeln über den Gebrauch der Sprache im Gerichtsverfahren

    Das Recht, im Umgang mit der öffentlichen Verwaltung und den Justizbehörden die eigene Sprache zu verwenden, ist eines der Grundrechte der Bürger der Autonomen Provinz Bozen, das verfassungsrechtlich geschützt ist.

    In der Autonomen Provinz Bozen ist die deutsche Sprache gemäß Artikel 99 des Autonomiestatuts der italienischen Sprache gleichgestellt.

    Der darauffolgende Artikel 100 garantiert den Gebrauch der eigenen Sprache im Umgang mit den Organen und Ämtern der öffentlichen Verwaltung und deren Konzessionären, aber auch mit Justiz- und Steuerbehörden. Die Organe der Justiz sind daher verpflichtet, sich in Prozessakten und Mitteilungen an die (allenfalls vermutete) Sprache des Bürgers zu halten.
    Die Bestimmungen zur Umsetzung dieser Grundsätze wurden mit dem Dekret des Präsidenten der Republik Nr. 574 vom 15. Juli 1988 verabschiedet. Diese Vorschriften wurden später durch das gesetzesvertretende Dekret Nr. 283/2001 und zuletzt durch das gesetzesvertretende Dekret Nr. 124/2005 umgeändert.


    Kurze Geschichtschronik

    Die Besonderheit Südtirols liegt bekanntlich im Zusammenleben von drei Sprachgruppen (der Deutschen, Italienischen und Ladinischen) in einer relativ kleinen Provinz. Bekanntlich ist die Mehrheit der Bevölkerung in der Provinz Bozen deutscher Muttersprache und stellt eine anerkannte sprachliche Minderheit auf nationaler Ebene dar (für die Ladinische Minderheit siehe unten). Gemäß Autonomiestatut ist die deutsche Sprache in der Provinz dem Italienischen gleichgestellt, das die Amtssprache des Staates ist. Dies führte zur Gründung der Region mit Sonderstatut und innerhalb dieser zur Gründung der beiden autonomen Provinzen Bozen und Trient. Unter den besonderen Bestimmungen zum Schutz der sprachlichen Minderheiten finde sich der Artikel 100 des Autonomiestatuts (Präsidialdekret Nr. 670 vom 31. August 1972) von grundlegender Bedeutung, der besagt, dass „Die deutschsprachigen Bürger der Provinz Bozen haben das Recht, im Verkehr mit den Gerichtsämtern und mit den Organen und Ämtern der öffentlichen Verwaltung, die ihren Sitz in der Provinz haben oder regionale Zuständigkeit besitzen, sowie mit den Konzessionsunternehmen, die in der Provinz öffentliche Dienste versehen, ihre Sprache zu gebrauchen“.

    Diese Vorschrift, die Verfassungscharakter hat, wurde mit Dekret des Präsidenten der Republik Nr. 574/1988 umgesetzt, das vier Jahre später in Kraft trat, um den Justizbehörden Zeit zu geben, sich an die neuen Vorschriften anzupassen. Es folgten Änderungen durch das gesetzesvertretende Dekret Nr. 283/2001, deren hauptsächliche Auswirkungen darin bestanden, die Möglichkeiten der Parteien die Sprache in Zivilverfahren zu wechseln, einzuschränken und die Verletzung der Vorschriften über die Verwendung der Sprache in Zivilverfahren mit absoluter Nichtigkeit zu ahnden (im Strafverfahren waren die Nichtigkeiten bereits absolut). Später ging man mit dem gesetzesvertretenden Dekret Nr. 124/2005 in die entgegengesetzte Richtung, indem die Vereinbarung der Verwendung einer einzigen Sprache begünstigt und den Parteien die allgemeine Befugnis eingeräumt wurde, auf Übersetzungen zu verzichten. Dies lag vor allem daran, dass die hohe Zahl der zweisprachigen Gerichtsverfahren, die nach den Änderungen von 2001 folgten, zu einer Lähmung dieser Gerichtsverfahren geführt hatten, was auch an der geringen Zahl der bisher eingestellten Dolmetscher (etwa 1/10 der vorgesehenen) lag.


    Rechte der ladinischen Sprachminderheit

    Die ladinische Sprachgruppe ist die älteste in der Provinz. Ladinisch ist eine neulateinische oder romanische Sprache. Die Rechte, die den Ladinern durch das DPR Nr. 574/88 zuerkannt werden, sind jedoch sehr begrenzt und in mancher Hinsicht sogar geringer als jene, die durch nationale Gesetzesbestimmungen gewährleistet werden. Der ladinische Bürger hat das Recht auf eine ladinische Prozesssprache in den Verfahren vor den Friedensgerichten, welche für die ladinischen Ortschaften in der Provinz Bozen zuständig sind (Bruneck und Klausen). In anderen Verfahren hingegen hat er nur das Recht, in seiner Muttersprache verhört oder vernommen zu werden, wobei in der Prozesssprache protokolliert wird. Dies obgleich der Art. 109 StPO nicht nur die Protokollierung in der Sprache der Minderheit, sondern auch die Übersetzung jener Akte, die an die betroffene Person gerichtet sind, vorsieht.

    Vertiefungen

    Diese Notizen haben verbreitenden Charakter. Für diejenigen, welche das Argument vertiefen möchten, wird auf die Publikation von Francesco Coran „Processo penale e Diritto alla Lingua in A.A. – Südtirol“ in AA.VV. „Processo penale, lingua e Unione Europea“ CEDAM 2013 verwiesen.“ (http://shop.wki.it/)


    Letzte Änderung

    15 November 2022, 14:13